Internationale Konferenz zum Forschungsgebiet der Transkulturellen Studien
Am 9. und 10. April 2025 findet zum ersten Mal eine Internationale Konferenz zum Forschungsgebiet der Transkulturellen Studien in Italien statt, die von den Hochschulprofessoren Raffaele Tumino (Universität Macerata), Simone Betti (Universität Macerata) und Dagmar Reichardt (Lettische Kulturakademie, Riga) organisiert worden ist. Unter dem Titel „Grenzgebiete, Mobilität und Rechte im Zeitalter der Glokalisierung: Transkulturalität als (re-) konstruktive Methode“ („Borderlands, Mobility and Rights in the Era of Glocalization: Transculturality as a (Re-) Constructive Method“) macht sie es sich zur Aufgabe, über den aktuellen Wissensstand bezüglich der wachsenden kulturellen und sozialen „glokalen“ Verflechtungen in Italien und der Welt zu informieren und zu diskutieren.
Der Begriff der „Transkulturation“ (Spanisch: „Transculturación“) wurde erstmals von Fernando Ortiz in seinem 1940 veröffentlichten Werk „Contrapunteo del tabaco y el azúcar“ eingeführt und nach seinem Tod ab den 1990-iger Jahren vom damaligen Jenaer Philosophen Prof. em. Dr. Wolfgang Welsch (Berlin) zunächst im deutschen, dann auch anglophonen Sprachraum mit Hilfe des Begriffs der „Transkulturalität“ (Englisch: „Transculturality“) entscheidend weiterentwickelt. Das relativ rezent etablierte Paradigma markiert einen Wendepunkt in der Erforschung wirtschaftlicher, sozialer sowie kultureller Prozesse und fördert neue Formen der Beziehungen zwischen Menschen, Ethnien und Kulturen auf der Ebene gegenseitigen Verständnisses.
Mit dem Ziel, einer falsch verstandenen „splendid isolation of cultures“ entgegenzutreten – deren Grundlagen noch auf asymmetrischen Beziehung zwischen den Kulturen beruhen und deren Auswirkungen man bis heute weltweit in vielen Bildungsstätten, Schulen, städtischen Infrastrukturen, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen begegnet –, soll der Unterwerfung einer oder mehrerer (Herkunfts-) Kulturen unter eine vermeintlich dominante (Zugehörigkeits-) Kultur eine (re-) konstruktive Alternative geboten werden.
Die transdisziplinären Ansätzen der anwesenden Wissenschaftler reichen von der Anthropologie über die Literaturwissenschaft, Psychiatrie, Philosophie, Rechtswissenschaft, Geografie oder Soziologie bis hin zur Pädagogik und den Kulturwissenschaften, hier insbesondere den Postkolonialen Studien. Ziel ist es, einige methodische Schlüsseltechniken zum Verständnis der Komplexität transkultureller Realität zu beleuchten, die uns helfen, authentische Beziehungen zu den grundlegenden Themen der Subjektivität – zu denen Liebe, Tod, Gesundheit, Hoffnung, Schönheit oder Transzendenz zählen – herzustellen.
Das Programm folgt einem systematischen Dreischritt: der Entkolonialisierung unseres Geistes, der Globalisierung unsers Denkens (d.h. „mit der Welt zu denken“) und der Ausübung von „Freundlichkeit“ (die gemäß Ortiz darin besteht, einander willkommen zu heißen, zuzuhören, zu geben und selbst zu empfangen). Diese Herangehensweise – so der Mit-Organisator Raffaele Tumino – ermögliche eine Sichtbarmachung aller Kulturen sowie die Anerkennung der unveräußerlichen Rechte eines jeden Mannes und einer jeder Frau, „die Welt zu bewohnen“, um uns letztlich irreführender Narrative zu entledigen, die Begriffe wie „Nicht-EU-Bürger“, „Migrant“, „Flüchtling“ oder „Asylbewerber“ implizit oder explizit vermitteln. Das bedeute nicht, so Tumino, den Schmerz und die Erschöpfung, die mit Migration und Akzeptanz einhergehen, zu verkennen, sondern vielmehr „alle Hindernisse zu beseitigen, die die freie Entfaltung einer Person verhindern“. Ein solcher Ansatz ermögliche es, der Forderung der US-amerikanischen Politikwissenschaftlerin (Schwerpunkt: Politische Theorie und Politische Philosophie, Yale University) Seyla Benhabib nachzukommen, Flüchtlingen und Asylsuchenden bei ihrer ersten Einreise das moralische Recht zuzuerkennen, demzufolge „kein Mensch illegal ist“.
Unter den Ehrengästen in der mittelalterlichen Universitätsstadt Macerata, südlich von Rimini: die marokkanische Psychiaterin und Anthropologin Rita El-Khayat, die dank des Präsidenten der Italienischen Republik Giorgio Napolitano für ihr anhaltendes Engagement gegen geschlechtsspezifische Gewalt mehrmals für den Friedensnobelpreis nominiert worden ist, sowie Wolfgang Welsch, der unter den zeitgenössischen Philosophen als federführend auf dem Gebiet der Transkulturellen Studien zählt und internationale Maßstäbe für viele Studien und disziplinenübergreifende Forschungsansätze gesetzt hat.Die Konferenzbeiträge werden in der halbjährlich erscheinenden Zeitschrift für Transkulturelle Studien „Transculturale“ der Universität Macerata (Mailand/Udine, Mimesis Verlag) noch dieses Jahr veröffentlicht.